Sonntag, 28. Juni 2009

Steuern steuern

Die Umsatzsteuer ist eine sozial ungerechte Steuer, weil sie Geringverdiener überproportional belastet. Ein häufig vorgebrachtes Argument. Und sicher, wenn das Steuersystem ansonsten unverändert bleibt, ist diese Aussage auch richtig. Unabhängig von der Höhe des Einkommens wird ein gewisser Grundbetrag immer für den Konsum ausgegeben. Der Konsumanteil und damit auch der durch eine Umsatzsteuer belastete Ausgabenpart fällt daher bei steigendem Einkommen. Geringverdiener müssen sich also bei einer Umsatzsteuererhöhung stärker einschränken, während bei den hohen Einkommensbeziehern die Belastung ggf. nur unmerklich ausfällt.

Eine Steuererhöhung, die nur dazu dient, dem Staat mehr Einnahmen zu bescheren, ist aber per se als ungerecht oder schlichtweg überflüssig zu bezeichnen. In diesem Fall wäre jedwede Form einer Steuererhöhung, sei es die Umsatzsteuer, die Einkommensteuer oder auch die Mineralölsteuer, abzulehnen. Anders verhält es sich, wenn der Staat die Steuereinnahmen nutzt, um hiermit Ausgaben zu tätigen, die die private Wirtschaft nicht oder nur unzureichend leisten kann. Der Staat erzielt in diesem Fall für die Gesellschaft einen höheren Benefit als der freie Markt. Ob die Bundesrepublik nun mehr zu ersterem tendiert oder zu letzterem, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Unabhängig davon, ob nun wirklich mehr Finanzeinnahmen notwendig sind oder nicht, ergibt sich immer die Frage der Ausgestaltung des Steuersystems in seiner gesamten Komplexität. Das eingangs erwähnte Argument lässt sich allein schon dadurch entkräften, dass die skandinavischen Länder allesamt einen vergleichsweise hohen Umsatzsteuersatz haben, dennoch aber als Staaten mit einem gut ausgebauten Sozialsystem gelten. Bei den USA oder auch Singapur mit seiner hohen Einkommenskonzentration verhält es sich gerade umgekehrt. Bedeutend ist daher immer auch wie das Einkommensteuersystem gestaltet ist. Bei sehr hohen Freibeträgen fiele ein hoher Umsatzsteuersatz weniger ins Gewicht, weil die finanziellen Mittel für der Grunderwerb nicht besteuert werden. Einsichtig ist auch, dass eine starke Progression mit hohen Grenzsteuersätzen einkommensangleicher wirkt als nur ein niedriger Umsatzsteuersatz. Nicht vergessen werden darf hierbei, dass auch die Konstruktion der Sozialversicherungssysteme Auswirkungen hat. Das Bismarcksche System wie es in den kontinentaleuropäischen Staaten vorherrschend ist sorgt z. B. in der BRD de facto für Eingangsteuersätze von ca. 40% (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil von Renten-, Krankenversicherung usw.). Sozialpolitisch wirksam und auch ökonomisch effektiv, weil arbeitsanreizerhöhend, wäre es dies auf ein steuerbasiertes System umzustellen.

Eine Reduzierung der Einkommensteuer wirkt positiv auf die Bereitschaft Arbeit aufzunehmen, weil netto mehr vom Brutto bleibt. Ein so großer Effekt, dass die Steuereinnahmen zumindest aber gleich bleiben - weil jetzt mehr Leute Steuern zahlen als vorher, wenn auch der Einzelne weniger als zuvor - ist allerdings nicht anzunehmen. Notwendig ist also eine Gegenfinanzierung. Hierfür bietet sich die Umsatzsteuer und gerade die ermäßigte an. Produkte, die zum Grundbedarf gehören, werden unabhängig von Preisveränderungen recht gleichmäßig nachgefragt. Es kann zu keiner Ausweichreaktion des Bürgers kommen. Bei der Einkommensteuer ist durch die Substition von Arbeit zu Freizeit der Fall. Gerade die Produkte des täglichen Bedarfs, die aus sozialpolitischen Gründen niedriger besteuert werden, für die Einnahmensicherung des Staates heranzuziehen, mag etwas befremdlich klingen. Letztendlich werden mit dem ermäßigten Steuersatz aber auch hohe Einkommensbezieher subventioniert und der Grund hiermit, die heimische Landwirtschaft zu unterstützen, trifft auch nicht zu. Die Produkte weisen sich gerade durch eine konstante Nachfrage aus. Letztendlich erzielt der Staat somit sein Finanzziel mit einem Minimum an wirtschaftspolitischer Verzerrung des Marktes. Die Austarierung der Steuersätze muss dann nur dafür sorgen, dass genügend Mittel für Transferleistungen vorhanden bleiben, um die sozialpolitischen Ziele zu verwirklichen.

Doch gibt es auch Gründe für gespaltene oder niedrige Umsatzsteuersätze? Frankreich hat einen erniedrigten Steuersatz im Gastronomie- und Hotelbereich. Die USA zeichnet sich durch einen viel höheren Anteil an Arbeitnehmern aus, die einfache Serviceleistungen verrichten. Das liegt nicht an der höheren Dienstleistungsbereitschaft, sondern auch daran, dass in peronalintensiven Wirtschaftsbereichen die Umsatzsteuer quasi wie eine Einkommensteuer wirkt. Sie senkt also die Bereitschaft solche Arbeit aufzunehmen bzw. diese nachzufragen, weil sie durch die zusätzliche Steuer unverhältnismäßig teuer wird. Ein reduzierter Umsatzsteuersatz auf Dienstleistungen ist daher wirtschaftspolitisch zu unterstützen. Es stellt sich nur die Frage der Abgrenzung. Steueroptimierendes Verhalten der Akteure und damit ein Wohlfahrtsverlust ist wahrscheinlich zu erwarten.

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